5 Dinge, die ich von meinem Hund über Führung gelernt habe

Hunde sind echt mies – sie robben sich unbemerkt so weit in die Tiefen unserer Herzen, dass man gar nicht anders kann, als sie bedingungslos zu lieben. Aber genau das braucht manchmal etwas Zeit. Aber es lohnt sich immer, denn Hunde sind die besten Lehrer.

Wie erzieht man seinen ersten Hund?

„Der Vermieter erlaubt das nie“, sage ich, während mein Mann vergeblich versucht, ihn anzurufen. Wir spielen manchmal lustige Spiele und fordern den Zufall hinaus: „Ich zähle jetzt von 100 runter, wenn der Vermieter in dieser Zeit anruft, dann nehmen wir den Hund“, sagt er. Bei 28 klingelt das Telefon. „Wenn der nicht bellt, ist das kein Problem“, sagt der Vermieter und damit ist die Sache besiegelt: „Sam 44“ ist jetzt unser Hund. Nummer 44, weil das die Nummer seiner Todeszelle war. Der Name bleibt also.

Ein paar Wochen ziehen ins Land. Ich bin heillos überfordert von diesem jungen, ungestümen Ding. Kurzum buche ich einen Hundetrainer. „Hier sind meine zwei DIN A4-Seiten mit Dingen, die wir uuuunbedingt sofort und subito angehen müssen“, sage ich. Dieser erste Trainer, ein „Problem-Hund-Trainer“, guckt mich nicht nur entgeistert an, er gibt auch nach vier Wochen wieder auf. „Der Hund ist nicht erziehbar“, sagt er. Aha. Was er wohl eigentlich meint: Ich bin nicht erziehbar. Denn Hundetraining ist ja auch immer Menschentraining.

Zu diesem Zeitpunkt, kann ich mir allerdings nur schwer von anderen etwas sagen lassen. Ich habe meinen ganz eigenen Kopf, wie die Dinge zu laufen haben: Durch bunte Plastiktore laufen und den Hund zur Belohnung mit kleingeschnittenem Schafskäse füttern, der matschig in meiner Tasche klebt, gehört ganz sicher nicht dazu. Meine Finger riechen immer noch danach, wenn ich heute daran denke.

Oder auf stundenlangen Autofahrten zum perfekten Waldstück fahren, wo eine Gruppe gelangweilter Hausfrauen mit ihren Fiffies und Schnuffies bereits sehnsüchtig darauf wartet, dass der Trainer die Spur legt, die „Bolle“, „Ella“, „Susi“ und … naja eben Sam suchen müssen, auch nicht. Sam fand die Truppe ebenso blöd und so schaffte es auch dieses Hobby nicht auf meine Dauerbrenner-Liste.

Hundetraining für Anfänger

Mit dem zweiten Trainer übe ich Körpersprache. Die Aufgabe: Der Hund darf nicht in die Küche. Keine Befehle. Nur Körpersprache. Und energisches Zurücktreiben mit den Beinen auf die Decke vor der Küchentür. Ein Klacks, denke ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Doch genau da liegt das Problem: Ich bin nicht energisch, sondern eher Kaliber „Hutschi-Gutschi-Hundemutti“.

Natürlich geht es dabei nicht um Gewalt. Aber Hunde brauchen eine starke Führung und klare Kante. Damals war das nicht meine Stärke. Sam wiederum ist es gewohnt, den Menschen auf der Nase herumzutanzen. Er hat überhaupt keine Lust, sich von Muddi die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Ich tänzele halbherzig vor dem Trainer und Sam herum, meine Körpersprache gleicht einem Aal. Das Ergebnis nach vier Stunden Arbeit: Die Decke bleibt leer und Sam liegt unter dem Küchentisch, grinsend versteht sich. Die Kandidatin bekommt 0 Punkte.

Bindung zum Hund aufbauen

„Du hast immer ein Fragezeichen in der Stimme, wenn du ihn rufst“, sagt mein Mann. Er hat gut Reden, mit seiner Statur und der tiefen Stimme, ist er sofort als Rudelführer akzeptiert. Er macht auch bei Sam seinem Namen als „Dogwisperer“ alle Ehre. Ein kleines Zeichen genügt und Sam gehorcht aufs Wort. Nonverbal, versteht sich. Super, Danke für nichts.

Monatelang arbeite ich also mit Körpersprache und Stimme und versuche Raum einzunehmen. Oder „streng“ zu klingen, was eher einem hüstelnden Huhn gleicht. Ich will „Klarheit“, stattdessen ertappe ich mich dabei, wie ich dem Hund auf der Wiese beim Spielen lang und breit erkläre, warum es „echt doof ist“, dem „Bruno“ seinen Stock zu klauen und es doch „viel besser sei“, direkt zu mir zu kommen, wenn ich ein Zeichen gebe. Sam denkt an stinkenden Schafskäse, zeigt mir alle vier Mitteltatzen und jagt das nächste Rebhuhn im Busch. Bindung sieht anders aus.

Gute Führung braucht Zeit

Mit Trainer Drei sitze ich stundenlang im Treppenhaus und übe entweder das „Alleinbleiben“ des Hundes in der Wohnung oder „Decke statt Bellen“, wenn die Klingel läutet. Alles natürlich Nonverbal. Und während ich noch ganze Sätze in Fingersprache dirigiere, bellt mich der Hund an, wie er es auch bei jedem Klingeln getan hat und läuft schwanzwedelnd in die Küche unter den Tisch. Na super.

Trainer Vier verordnet „Habituationstraining“, Sam soll sich an Geräusche und Bewegungen aller Art gewöhnen. Jeden Tag sitze ich also in der Fußgängerpassage oder im Einkaufszentrum, beobachte das Treiben und bin kurz davor, für jedes gemachte Foto von Sam 5,- Euro zu verlangen. „Der ist aber süüüß“, sagen sie. Abends, wenn der Hund auf dem Rückweg wieder einmal durchdreht und etliche Fahrradfahrer, Autos oder Menschen anbellt, überreiche ich meinem Mann nicht selten genervt die Leine und raune: „Du wolltest einen Hund, wo ist der Aus-Knopf?“.

Der Hund als Mentor

Den fünften Trainer finde ich gut. Seine Mischung aus Klarheit und Weichheit überzeugt mich, auch wenn ich mir erstmal einiges Anhören muss: „Was machst du alles mit dem Hund? Der ist ja völlig gestresst. Guck ihn dir doch mal an. Der braucht viel, viel mehr Ruhezeiten als jetzt“, sagt er ungläubig in mein Gesicht, als er hört, wie ich mit meinen Listen und tausend schlauen Büchern an die Sache herangehe. „Du machst jetzt acht Wochen gar nichts“, sagt er. „Okay“, erwidere ich Kleinlaut und in dem Moment macht es „Klick“:

ICH bin das Problem.

Nicht der Hund.

ICH habe MEINEN Stress auf IHN übertragen.

Er ist nur MEIN Spiegel.

Uff, das sitzt, das muss ich erstmal verdauen.

5 Learnings fürs Leben und Business

Ja, der Anfang war nicht leicht. Aber: Dieser Hund ist das Beste, was mir je passiert ist. Kein Businesstraining oder Workshop hat mir so viel über mich selbst beigebracht, wie Sam. Und Sam? Der wurde immer entspannter und ist für jedes Abenteuer zu haben. Die folgenden Dinge habe ich von ihm gelernt:

#1 Bedingungslose Liebe

Groß, klein, dick, dünn, rau, glatt, nett, doof, Rasse oder Streuner: Sam begrüßt jeden mit Schwanzwedeln und seinen unverkennbaren, positiven Vibes. Gerangel auf der Wiese ist schnell vergeben und es wird nichts nachgetragen. So gehe ich heute ebenso mit Mitmenschen und Kollegen um und bin null nachtragend. Denn Liebe wird mehr, wenn man sie teilt.

#2 Singletasking und Präsenz

Essen. Spielen. Schlafen. Rausgehen. Von Sam habe ich mir diese Scheibe abgeschnitten, denn ich habe gemerkt, dass es mir verdammt gut tut, die Dinge zu trennen und sie nicht miteinander zu vermischen. So kann ich 100 % Präsent sein und den einzelnen Moment würdigen. Das Leben fliegt nicht mehr so schnell an mir vorbei.

#3 Radikale Integrität

Ein Hund ist wie er ist: Er mag dich. Oder eben nicht. Das zeigt er dir sofort und kommuniziert es direkt. Es interessiert ihn auch nicht, was andere von ihm denken, er macht einfach sein Ding. Alle Masken abzulegen und keine Rolle zu spielen, habe ich definitiv ihm zu verdanken. Und Integrität ist heute mein allerwichtigster Wert, an der ich jede neue Entscheidung abklopfe.

#4 Kontrolle abgeben

Das Verhalten eines Hundes kann man nicht kontrollieren. Kommt Herrchen nach Hause, ist er blitzschneller an der Tür als man gucken kann, obwohl er gerade im Tiefschlaf war. Und wenn er zu viel Gras gefressen hat und kotzen muss, dann tut er das dort wo er ist, ganz egal, ob du dich gerade blamierst. Durch Sam habe ich gelernt, loszulassen, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Meine größte Stärke und Skill im Business ist heute, mich sofort an neue Situationen anzupassen, anstatt verbissen an alten Situationen festzuhalten.

#5 Grenzen setzen

Wenn Bruno auf der Wiese doof ist oder zu weit geht, bekommt er sofort eine Grenze. Nonverbal, durch Körpersprache oder Zähne flletschen und verbal durchs Knurren. Ich bin heute „Queen of Grenzen setzen“ – und das nicht nur räumlich oder verbal. Sondern vor allem energetisch. Ich achte penibel darauf, mit wem ich mich umgebe, wen ich in meinen energetischen Raum lasse – und wen eben nicht.

All diese Erfahrungen haben mich nicht nur zu einem besseren Menschen gemacht. Sondern auch zu einer besseren Mentorin und Initiatorin. Denn Exzellenz fängt immer in den unscheinbarsten, kleinsten – oft unbequemen – Situationen des Alltags an.

Gute Reise Sam

Sam, mein Baby. Danke für unsere gemeinsame Zeit – sie war viel zu kurz. Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, ein Grab für seinen eigenen Hund auszuschaufeln. Es ist genauso beschissen, wie ich es mir vorgestellt habe. Danke für die besten 16 Jahre. Durch dich bin ich die, die ich heute bin. Du bist und bleibst mein allerbester Freund und Mentor. Machs gut, wo auch immer du jetzt bist. Und komm mich mal im Park oder an der Elbe besuchen, wenn ich alleine meine Runden drehe. Dann lachen wir über alte Zeiten oder verstecken uns im Wald.

Scheisse man, du hinterlässt eine sooo verdammt große Lücke …

R.I.P.

2009 – 2025

Über meinen persönlichen Abschiedsprozess erzähle ich in der Podcastfolge: „Raum für Abschied„. Im Blog habe ich aufgeschrieben, „Wie das eigene Zuhause beim Loslassen unterstützen kann„.

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